Reifen: Die richtige Profiltiefe – für den besten Grip
23.11.2022
Fahren auf Nässe: Gut, wer jetzt genug Profil hat© ISP Grube/Wolfgang Grube
Egal ob Sommer-, Winter- oder Ganzjahresreifen: Die richtige Mindestprofiltiefe der Reifen ist überlebenswichtig! Die gesetzlichen Bestimmungen – und unsere Empfehlungen für mehr Sicherheit.
1,6 mm Restprofil sind absolutes MinimumAbgefahren? Bis zu 120 € Bußgeld und ein PunktADAC Test mit unterschiedlichen Profiltiefen
Um die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten, gilt in Europa eine gesetzliche Mindestprofiltiefe von 1,6 mm für Pkw- und Motorradreifen und 1,0 mm für Leichtkrafträder. Doch umfangreiche ADAC Tests haben bewiesen: Die gesetzlich festgelegte Profilgrenze bietet nur einen Rest an Sicherheit. Bei Sommerreifen sollte das Profil mindestens drei Millimeter tief sein, bei Winter- oder Ganzjahresreifen mindestens vier Millimeter – sonst wird's kritisch bei Nässe, Schnee oder Schneematsch.
Die gesetzlichen Bestimmungen
Die Rechtslage ist klar: Sobald Ihre Pkw-Reifen, deren Profil beim Neukauf meist zwischen acht und neun Millimeter hat, die Mindestprofiltiefe von 1,6 Millimeter unterschreiten, dürfen Sie mit ihnen nicht mehr im Straßenverkehr fahren. Die Reifen gelten dann als nicht mehr verkehrssicher und müssen aussortiert werden.
In einigen europäischen Ländern wie z.B. Österreich gilt ein Winterreifen mit Profiltiefe unter 4 Millimeter als Sommerreifen und darf auf manchen Strecken im Winter nicht mehr gefahren werden.
§ 36 StVZO im Wortlaut
Zitat
Luftreifen an Kraftfahrzeugen und Anhängern müssen am ganzen Umfang und auf der ganzen Breite der Lauffläche mit Profilrillen oder Einschnitten versehen sein. Das Hauptprofil muss am ganzen Umfang eine Profiltiefe von mindestens 1,6 mm aufweisen; als Hauptprofil gelten dabei die breiten Profilrillen im mittleren Bereich der Lauffläche, der etwa 3/4 der Laufflächenbreite einnimmt.
Als Halter bzw. Fahrer des Fahrzeugs sind Sie für die regelmäßige Kontrolle der Profiltiefe verantwortlich und sollten diese auch regelmäßig nachmessen.
Werden Sie im Straßenverkehr als Fahrer mit abgefahrenen Reifen erwischt, drohen Ihnen 60 Euro Bußgeld sowie ein Punkt ins Flensburg. Bei Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer oder einem Unfall steigt das Bußgeld auf 100 oder 120 Euro.
So messen Sie die Restprofiltiefe
Messung der Profiltiefe mit einer 1-Euro-Münze© Fotolia/TUNINGFOTOJOURNAL
Auf dem Reifenumfang finden sich an sechs Stellen kleine Stege im Profilgrund der relevanten Rillen. Diese gut sichtbaren Stege werden Verschleißindikatoren oder auch Tread Wear Indicator (TWI) genannt. Die Profiltiefe ist in den Rillen neben diesen Stegen zu messen. Wenn die Stege ohne Absatz in die Profilblöcke übergehen, ist die gesetzliche Mindestprofiltiefe bereits unterschritten. Dann darf mit diesen Reifen nicht mehr gefahren werden. Sie können die Profiltiefe Ihrer Autoreifen aber auch ganz einfach mit einer 1-Euro-Münze als Tiefenmesser überprüfen. Es ist zwar nicht möglich, damit eine millimetergenaue Messung durchzuführen – eine Vorabdiagnose kann jedoch gestellt werden.
Der Grund: Der goldene Rand der 1-Euro-Münze ist exakt drei Millimeter breit. Wenn Sie die Münze in die Mitte des Reifenprofils halten, müssen Sie darauf achten, ob der Goldrand schon sichtbar ist oder noch in der Bereifung verschwindet.
Einfach selber machen: ADAC Experte Matthias Zimmermann erklärt, wie die Reifenprofiltiefe gemessen wird ∙ Bild/Video: © ADAC e.V.
Verschwindet der Goldrand, können Sie – zumindest mit Sommerreifen – bedenkenlos weiterfahren. Denn die Pneus erfüllen dann locker die gesetzliche Mindestprofiltiefe von 1,6 Millimeter. Das Profil liegt mit einer Tiefe von drei Millimeter oder mehr sogar in dem von Experten angeratenen Bereich. Ist ein Teil des goldenen Rands jedoch sichtbar, sollten Sie bald über einen Reifenwechsel nachdenken.
Prüfen Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit die Profiltiefe Ihrer Reifen mehrmals im Jahr! Und denken Sie immer daran: Die Mindestprofiltiefe von 1,6 mm ist ein rein gesetzlicher Wert. Für sicheres Fahren im Straßenverkehr sollte bereits ab 3 bzw. 4 mm Profiltiefe die Reifen gewechselt werden.
ADAC Test mit unterschiedlichem Profil
Um herauszufinden, welchen Einfluss niedrige Profiltiefen auf die Leistungsfähigkeit der Reifen haben, führte der ADAC einen Test mit Winterreifen durch, die bei Schnee, Nässe und Glätte besonders auf die Verzahnung ihres Profils mit der Straße angewiesen sind. In der Dimension 185/60 R 14 wurden die Fahr- und Bremseigenschaften auf trockener, nasser und schneebedeckter Fahrbahn mit drei unterschiedlichen Profiltiefen getestet: Im Neuzustand (etwa 8 mm), mit 7,5 mm Profil und mit 4 mm Profil, dem empfohlenen Wechselzustand.
Auf Schnee waren die Unterschiede zwischen neuen und bereits gefahrenen Reifen am deutlichsten. Der 4-mm-Reifen verursacht schon aus Tempo 30 einen 3,2 Meter längeren Bremsweg als der Neureifen.
Noch gravierender waren die Unterschiede in der Zugkraft, wenn vom Reifen viel Grip beim Anfahren oder an Steigungen gefordert wird. Gerade hier kommt es auf die Tiefe der Lamellen an: Die Profilrillen nehmen den lockeren Schnee auf, die Lamellenkante verzahnt sich mit dem härteren Untergrund. So wird verständlich, dass schon die Variante mit 7,5-mm-Restprofil gegenüber dem 0,5 mm tiefer profilierten Neureifen nur noch 60 Prozent der Zugkraft aufbringen kann. Der abgefahrene 4-mm-Pneu schafft sogar nur weniger als die Hälfte.
Ein Sommerreifen, den wir zum Vergleich ausprobiert hatten, versagte auf Schnee komplett: Er leistete nur ein Viertel der Zugkraft eines neuen Winterreifens – bei einem um 7,5 Meter längeren Bremsweg schon aus Tempo 30.
Auf Nässe ist es zur Vermeidung von plötzlichem Aquaplaning wichtig, dass ein Profil mit seinen Längsrillen und Lamellen möglichst viel Wasser aufnehmen und verdrängen kann. Gut nachvollziehbar, dass der auf 4 mm abgefahrene Reifen bereits bei 63 km/h aufschwimmt, der Neureifen jedoch erst ab 87 km/h.
Beim Nass-Bremsen kommt es vor allem auf die Gummimischung an. Auch hier verliert der abgefahrene Reifen mit einem um sieben Prozent längeren Bremsweg (gemessen aus 80 km/h).
Hier werden Bremswege bei Winterreifen mit fortschreitendem Abriebzustand sogar kürzer. Der Grund: Die flacher werdenden Profilblöcke verformen sich bei Bremsungen weniger, weshalb mehr Gummi auf dem Asphalt liegt. Trockene Straßen dürften im deutschen Winter allerdings kaum anzutreffen sein – in der Praxis also doch kein Pluspunkt!
Fazit
Die Versuche mit den Winterreifen belegen den großen Einfluss der Profiltiefe auf die Leistungsfähigkeit – und das gilt tendenziell genauso für Sommer- und Ganzjahresreifen. Wer auf Nummer Sicher gehen will, sollte also bei drei oder vier Millimetern wechseln. Und zwar eigenverantwortlich, damit über eine nochmalige Verschärfung der bestehenden Verordnung überhaupt nicht diskutiert werden muss.
Zum Schluss noch eine Warnung an alle Sparfüchse: Wer Winterreifen im Sommer aufbrauchen will, muss – bedingt durch Profilgestaltung und Gummimischung – mit deutlich längeren Bremswegen gegenüber Sommerreifen rechnen.
Das würde ich mir hier im Winter auch wünschen!